Bergsteigerdorf Grünau im Almtal – Radfahrer unerwünscht?

Fehlende innerörtliche Radwege, gesperrte Wirtschaftswege, Vorrang des motorisierten Individualverkehrs (MIV) legen die Vermutung nahe, dass Radelnde im Almtal allenfalls geduldet werden, keinesfalls aber willkommen sind.

Unsere Familie hatte sich bewußt für einen 2-wöchigen Urlaub in Grünau im Almtal entschieden. 2019 verbrachten wir unseren Bergurlaub in Ginzling im Zillertal und waren vom Ort, der Landschaft und dem Konzept der Bergsteigerdörfer sehr angetan.
Mit dabei sind die Kinder im Alter von 3 ½ und 7 Jahren und wir, die Großeltern. Letztere stoßen nach ihrer Hüttenwanderung über den Welser Weg zur jungen Familie, um eine Woche gemeinsam aktiv zu verbringen.

Wir alle legen als Outdoor-Begeisterte (Klettern, Radeln, Wandern) Wert auf ein umweltverträgliches, nachhaltiges und „hochwertiges Tourismusangebot für Bergsteiger und Bergwanderer“ in einer alpinen Natur- und Kulturlandschaft, so wie es in den „Kriterien für Bergsteigerdörfer“ dokumentiert ist (Quelle: Kriterien für Bergsteigerdörfer (2014), Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, Wien, Web: https://www.bergsteigerdoerfer.org/files/kriterien-fuer-bergsteigerdoerfer-2014.pdf).

Auf dem Welser Weg: Einsamkeit pur. Foto: Andreas

Wo kann ich mit Kindern Rad fahren?

Wir, die Großeltern, hatten am Tag unserer Rückkehr vom Welser Weg unsere Kinder zum Essen in einem ortsbekannten Restaurant eingeladen. Die Location liegt nur 2 km außerhalb des Ortes, so lag es für uns nahe, die Strecke mit dem Rad zurück zu legen.
Leider mussten wir feststellen, dass es keine für Kinder im Vor- und Grundschulalter sicheren Radwege gibt: Der Fußweg, den die Kinder benutzen müssen, ist so schmal, dass ein Begleiten durch einen Erwachsenen nicht möglich ist; dieser muss also auf die Straße ausweichen, was aber nur auf der rechten Seite möglich ist, da gegenüber kein Fußweg angelegt wurde. Das gleiche Problem stellt sich bei der Fahrt zum Bäcker im Ortszentrum oder zum Spielplatz an der Alm dar.
Einzig der sehr schön angelegte Radweg entlang der Alm ist für Kinder bestens geeignet. Schade nur, dass wir ihn zu spät entdeckt haben!
Fazit: Es fehlen gekennzeichnete Radwege innerorts und außerorts, die von kleineren und älteren Menschen sicher und bequem genutzt werden können.

Welche Radwege für touristisch Radfahrende gibt es?

Hier weist die „Salzkammergut Radkarte“ lediglich den „R 11 Almtalradweg“ als offiziellen Radweg aus. Im gesamten Bereich des Toten Gebirges zwischen Bad Aussee im Süden und Grünau im Norden gibt es keine weiteren touristischen Radwege. Dies halten wir für sehr ungewöhnlich für eine Region, für die der nachhaltige Tourismus ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor ist.

Das Almtal mit dem Almsee. An einem riesigen Parkplatz am Seeende ist Schluss. Danach ist das Radfahren verboten. Foto: Andreas

Zurück zum Solitär R 11: Dieser Radweg führt auf in etwa 15 Kilometern von Grünau durch eine wunderschöne alpine Landschaft zum pittoresken Almsee. Er wird, einmal abgesehen von einem Schlenker bei Heckenau, auf der Landesstraße L 549 geführt. Verdient er die Bezeichnung „Radweg“? Wir denken, nein. Hierzu gehört ein markierter Radstreifen auf der Fahrbahn, mindestens aber Piktogramme, die dem Autofahrer sagen, dass er sich die Fahrbahn mit Radfahrenden teilt. Besser wäre noch ein separat angelegter Radweg abseits der Straße.

Fazit: Um Grünau herum gibt es lediglich den Almtalradweg R11, der jedoch nicht das Kriterium eines Radweges erfüllt. Hier hat eindeutig der motorisierte Individualverkehr Vorrang. Von einem gleich berechtigten Miteinander kann keine Rede sein.

Welche Angebote gibt es für sportlich Radfahrende?

Sportlich Radfahrende nutzen häufig die Apps „Alpenvereinaktiv“ bzw. „Outdooractive“ oder Kommot, um sich über das Angebot an geeigneten Routen in der Region zu informieren.
Komoot weist gerade einmal drei MTB- bzw. Gravelrouten mit Start in Grünau aus: „Almsee – Am Almsee, Runde von Grünau im Almtal“ (dies ist die oben beschriebene Route über den R11 zum Almsee!), „Hochberghaus – Sepp-Huber Hütte, Runde von Grünau im Almtal“ und „Grünau im Almtal – Grünau im Almtal, Runde von Grünau im Almtal“, die zur Hochsalm führt (siehe: https://www.komoot.com/de-de/discover/Location/@47.8605743,13.9584869/tours?sport=mtb_easy&map=true&startLocation=47.8605743%2C13.9584869&pageNumber=1).

Wirtschaftsweg bei der Hochsalm oberhalb von Grünau: Radfahren verboten. Foto: Andreas

Ein vielfältiges Angebot an leichten, mittelschweren und schweren MTB-Routen gibt es natürlich an den drei Seen Wolfgangsee, Attersee und Traunsee: Dazu aber müssten wir mit dem Auto anfahren – und das wollen wir aus Gründen der Nachhaltigkeit natürlich vermeiden.
Das sehr überschaubare Angebot an MTB-Routen ist ungewöhnlich für eine Urlaubsregion wie das Tote Gebirge. Der Grund liegt im Verbot, Wirtschaftswege zu befahren. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie z.B. den Weg zur Hochsalm, aber in der Regel sind die Wege nicht für den Verkehr, einschließlich des Radverkehrs freigegeben.

Ein besonders widersinniges Beispiel ist der Wirtschaftsweg vom Almtalerhaus zur Materialseilbahnstation Welser Hütte durch die Hintere Hetzau. Auch dort ist das Befahren mit dem Rad verboten. Bei der Begründung – immerhin! – musste ich mir ungläubig die Augen reiben: Das Verbot gilt aus Gründen des Naturschutzes!? So treibt man Radelnde in die Illegalität!

Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um das Befahren von Wanderwegen („Single Trails“), bei denen ein repektvolles Miteinander von Mountain-Bikern und Wanderern häufig problematisch, manchmal unmöglich und damit ein Fahrverbot nachvollziebar ist. Bergwanderer nutzten i.d.R. solche Wirtschaftswege aber nicht, gibt es doch ein dichtes Netz an attraktiven, gut ausgezeichneten Wanderwegen.

Fazit: Für sportliche Fahrer, die die Natur kennenlernen wollen, ist kein Platz in Grünau. Das sollten jene bei der Urlaubsplanung berücksichtigen.

Wie könnte das Radfahren attraktiver werden?

Es gibt mehrere Maßnahmen, um das Radfahren in der Region attraktiver zu machen. Wir wollen an dieser Stelle folgende Vorschläge machen:

  • Schafft die unsinnigen und nicht mehr zeitgemäßen Verbote für Wirtschaftswege ab! Andere Bundesländer haben es vorgemacht.
  • Verbessert die Radinfrastruktur in Grünau und macht das Radfahren sicher! (In Deutschland gibt es Förderprogramme zum Ausbau der Radinfrastruktur – sicher auch in Österreich)

Denkt daran, dass Kletterer, Bergsteiger und Wanderer Outdoor-begeistert sind und das Rad das natürliche Verkehrsmittel darstellt.

Was uns sonst noch wichtig ist …

Der Verkehrssektor ist erheblich für die Entstehung von Treibhausgasen verantwortlich. (In Deutschland lag der Anteil in 2023 bei rund 22 %.). Es ist also höchste Zeit für einen grundlegenden Umbau des Verkehrssystems und einen Umstieg auf eine nachhaltige, klimagerechte Mobilität.
Ein erster Schritt für Grünau könnte die Sperrung der Almtalstraße (und der Straße zum Almtalhaus) für den motorisierten Individualverkehr zugunsten eines Shuttle-Betriebs darstellen. Davon würde nicht nur die Natur, sondern auch die vom Verkehr und dem Gestand genervten Anwohner profitieren … und natürlich die Radfahrenden, die nun angstfrei und sicher die Straße im Sinne eines richtigen Radweges nutzen könnten.
Diese Maßnahme würde auch gut mit dem ambitionierten Konzept eines Bergsteigerortes harmonieren. Dort heißt es u.a.: „Im Zweifelsfall haben in Bergsteigerdörfern Werte wie Natur und Landschaft Vorrang.“

… und dann noch die Antwort des „Tourismusverband Traunsee-Almtal“:

Sehr geehrter Dr. Hausotter!

Vielen Dank für Ihre ausführliche Rückmeldung zu Ihrem Aufenthalt im Bergsteigerdorf Grünau im Almtal. Bitte entschuldigen Sie meine, urlaubsbedingte, späte Rückmeldung.

Wir schätzen es sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Ihre Erfahrungen und Beobachtungen mit uns zu teilen. Ihre Anmerkungen sind für uns von großer Bedeutung, um die Qualität und Attraktivität unseres Angebots kontinuierlich zu verbessern.

Wir bedauern sehr, dass Sie und Ihre Familie Schwierigkeiten hatten, sichere Radwege in Grünau zu finden. Das Konzept der Bergsteigerdörfer legt großen Wert auf umweltverträglichen und nachhaltigen Tourismus. Ihre Beobachtungen bestätigen auch unsere Wahrnehmung, dass wir in Bezug auf die Radinfrastruktur noch Nachholbedarf in der gesamten Region haben.  Wir nehmen Ihre Kritik ernst und werden prüfen, wie wir die innerörtlichen und außerörtlichen Radwege verbessern können, um sie sicherer und attraktiver für Familien und ältere Menschen zu gestalten.

Der Almtalradweg R11 ist eine wichtige Radverbindung in unserer Region. Diese wird meist auf Güterwegen oder weniger befahrenen Seitenstraßen geführt und nicht als baulich getrennter Radweg. Leider ist das Teilstück von Grünau zum Almsee derzeit direkt auf der Landesstraße. Daher verstehen und teilen wir Ihre Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und der fehlenden Markierungen. Es ist unser Ziel, dass sich Radfahrende auf diesem Weg wohl und sicher fühlen. Auch wir als Tourismusverband sind mit der aktuellen Radfahr-Situation in Grünau im Almtal nicht zufrieden. Derzeit werden die Landesradwege evaluiert, aber der TVB hat hier zumindest erreichen können, dass Radfahrer zumindest für vier Kilometer den bestehenden Wanderweg „Genuss am Almfluss“ in rücksichtsvollem Miteinander mit den Wanderern nutzen können. Wir sind mitten in der Vorbereitungsphase, die sehr sorgfältig durchgeführt wird – nur so kann ein Radweg auf einem Wanderweg erfolgreich integriert werden, sodass beide Nutzergruppen sicher und komfortabel den Weg nutzen können.

Ihre Beobachtung, dass es nur wenige ausgewiesene MTB- Routen im Almtal gibt, ist korrekt. Die Problematik der gesperrten Wirtschaftswege/Forststraßen in Grünau im Almtal begründet sich darin, dass sich diese im Privatbesitz befinden – hier sind uns, trotz zahlreicher Bemühungen MTB Strecken zu installieren, die Hände gebunden. Dies gilt auch für die Forststraße vom Almtalerhaus zur Materialseilbahn. Solange es hier keine Gesetzesänderung gibt, sind wir auf das Wohlwollen der Grundstückseigner angewiesen.

Um auf die von Ihnen angesprochenen fehlenden MTB-Strecken im Toten Gebirge anzusprechen, hier gibt es vom Almsee die Verbindung zum Offensee, und rund um das Tote Gebirge bis ins Ausseerland Verbindungen und Strecken am Rand. Eine Strecke über das Tote Gebirge ist noch nie geplant oder gefordert gewesen. Aber wie schon von Ihnen angesprochen, ein Paradies für Wanderer und Bergsteiger – wie die offizielle Eröffnung der neuen Beschilderung des Welser Höhenweges diesen Monat beweist.  

Wir werden uns dennoch bemühen, in Zusammenarbeit mit den Grundstückseignern, den zuständigen Behörden und Naturschutzorganisationen Lösungen zu finden, die sowohl den Schutz der Natur als auch die Bedürfnisse der sportlichen Radfahrenden berücksichtigen.

Nachhaltigkeit und der Schutz unserer alpinen Natur- und Kulturlandschaft sind zentrale Anliegen unseres Tourismuskonzepts. Ihr Vorschlag, die Almtalstraße und die Straße zum Almtaler Haus für den motorisierten Individualverkehr zu sperren und stattdessen einen Shuttle-Betrieb einzurichten, ist sehr interessant und diese Idee uns nicht ganz unbekannt. Eine Idee, die auch wir bereits verfolgten, nur ist es rechtlich nicht ganz einfach, eine öffentliche Straße zu sperren und es bedarf auch den Willen der Politik, solche Maßnahmen, die tatsächlich zur Entlastung der Natur und zur Verbesserung der Lebensqualität der Anwohner beitragen würde, umzusetzen.

Gerne möchte ich an dieser Stelle auf den 1. Autofreien Tag am Samstag, 06. Oktober 2024 in Grünau im Almtal hinweisen. Die Almseelandesstraße L 549 von Grünau (Abzweigung nach Almbrücke) wird bis zum Almsee für den individuellen, motorisierten Verkehr für diesen Tag gesperrt. Wir stehen mitten in der Planung der Veranstaltung.

Nochmals vielen Dank für Ihre wertvollen Anregungen und Ihr Engagement für eine nachhaltige und umweltfreundliche Mobilität. Wir hoffen, dass Sie uns trotz der genannten Herausforderungen in guter Erinnerung behalten und uns die Gelegenheit geben, Sie bei einem zukünftigen Besuch von den Verbesserungen zu überzeugen.

Mit freundlichen Grüßen aus der europäischen Kulturhauptstadt Region Salzkammergut!

Stefan Schimpl, MBA
Stv. Geschäftsführer | Büroleitung Almtal

Tourismusverband Traunsee-Almtal

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