„Das muss wieder weg!“

Bemerkungen zum sehr deutschen Streit um die Fahrradstraße von Hastenbeck nach Afferde

Der durch mehrere Zeitungsartikel angeheizte Streit um die neue Fahrradstraße von Hastenbeck nach Afferde fand auf einer hitzigen Bürgerversammlung am 07.11. 25 in Hastenbeck seinen vorläufigen Höhepunkt, der in dieser Woche dann sogar Oberbürgermeister Griese veranlasste, das Ganze nun juristisch prüfen zu lassen.

Angesichts dessen fragt man sich nicht nur: ‚worum geht es hier eigentlich?‘, sondern auch: ‚warum wird eigentlich in Deutschland so erbittert um jeden Meter Straße gerungen, bei dem der Autoverkehr in irgendeiner Weise reglementiert oder eingeschränkt werden soll?‘

Beiden Fragen will dieser Artikel einmal nachgehen.

Mit der kürzlich auf der Afferder Straße/ Cumberlandstaße eingerichteten Fahrradstraße von Hastenbeck nach Afferde entdeckte die heimische Lokalzeitung am 17.10. 25 einmal mehr ein Auto-Aufregerthema und hielt es in bis dato vier großen Berichten am Kochen. Tenor dabei: „das muss wieder weg“ (1). Es wurden immer wieder, in zum Teil polemischer Weise, Argumente gegen diese Fahrradstraße genannt, Argumente der Befürworter wurden dagegen nicht erwähnt.

Auch mit der Vorgeschichte der Rad-Verbindung, die nicht „nur“ 30, sondern tatsächlich 44 Jahre betrug, und mit der Entfernung des zwar parallel verlaufenden, aber nicht 400m, sondern 1,2 Kilometer entfernten Radweges an der Bückebergstraße, nahm es der Bericht nicht so genau.

Die anfangs recht vehement vertretene Auffassung, dass die Hastenbecker Eigner der Straße hier mit-entscheidungsbefugt seien, wurde in der Folgeberichterstattung dann zunächst nicht mehr erwähnt – wohl weil die Stadtverwaltung ihre Rechtsauffassung deutlich dargestellt hatte, dass der Baulastträger der Straße über Verkehrsregelungen entscheidet, und nicht die Eigentümer – was bei einer öffentlichen Straße ja auch vollkommen nachvollziehbar ist.

Das nächste Argument, dass viel weniger Radfahrende als Kfz auf der Straße unterwegs sind, und dass daher eine „Fahrradstraße“ nicht gerechtfertigt sei, ist nur scheinbar ein logisches: abgesehen von der Rechtslage, die die Einrichtung von Fahrradstraßen auch bei einer „hohen Netzbedeutung für den Radverkehr oder untergeordneter Bedeutung für den Kraftfahrzeugverkehr“ vorsieht, könnte eine solche Argumentation praktisch gegen jede Maßnahme zur Stärkung und Sicherung des Radverkehrs in Deutschland eingesetzt werden, denn Radfahrende sind immer und überall in der Minderheit.

Mit einem weiteren scheinbar einleuchtenden Argument des ersten Zeitungsberichtes, dass Radfahrende von Hastenbeck nach Afferde ja den schon vorhandenen Radweg an der Bückeberg-straße nehmen könnten, schießt der Bericht eigentlich ein Eigentor: dies gilt doch erst recht für den Autoverkehr, bei dem es auf ein paar Hundert Meter Umweg nun wirklich nicht ankommt! Für Radfahrende aber, die über die neue Fahrradstraße zügiger z.B. das Handels- und Gewerbegebiet von Afferde erreichen können, ist der Umweg über die Bückebergstraße deutlich umständlicher.

Wobei hinzugefügt werden muss: der Kfz-Verkehr ist auf der Fahrradstraße ja weiterhin zugelassen, es geht lediglich um eine Höchstgeschwindigkeitsabsenkung von 70 km/h auf 30 km/h!
Zum Durchfahrtsverbot für Kfz, das eigentlich auf Fahrradstraßen die Regel sein sollte, aber fast nirgendwo ist, konnte sich die Verwaltung ebenso wenig durchringen, wie zu einem separaten Radweg neben der Afferder Straße/ Cumberlandstraße, dessen Kosten man scheute.

Und damit ist man dann bei dem, was an diesem sehr speziellen Hamelner Fall „typisch deutsch“ und scheinbar in Stein gemeißelt ist – wie die Ängstlichkeit beim Einrichten „echter“ Fahrradstraßen.

Was ist eigentlich so schön daran, immer und überall fahrende oder parkende Autos zu haben? Warum stellen sich bei manchen Redaktions- oder -Verwaltungschefs, aber auch bei vielen „Wutbürgern“ sofort die Nackenhaare hoch, wenn irgendein Eingriff in die vermeintliche „Freiheit“ des motorisierten Individualverkehrs droht? Warum funktioniert dies viel besser und geräuschloser in einigen unserer Nachbarländer? Warum sind ruhigeres und sichereres Fahren mit weniger Spritverbrauch, Lärm und Emissionen, und damit übrigens auch mehr Lebensqualität für die Anwohner, eigentlich keine gewichtigeren Argumente als die vermeintliche „freie Fahrt für freie Bürger“?

Fragen über Fragen, sehr deutsche Fragen, die – das sollte hier vielleicht einmal wieder erwähnt werden – nicht nur unsere Mobilität der Zukunft, sondern letztlich unser Überleben in einer sich auch durch den Autoverkehr aufheizenden Welt betreffen; vielleicht der wichtigste Grund, das leise, gesunde und emissionsfreie Radfahren nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land zu fördern.

Die neue StVO gibt dem übrigens Raum und bietet nun viel mehr Möglichkeiten als früher, z.B. Tempo 30-Zonen einzurichten. Engstirnige und einseitige Kampagnen in den Medien, die das Rad zurückdrehen (und zurückdrängen) wollen, sind dagegen geeignet, auch die Bürger, die das eigentlich längst verstanden haben, zu verunsichern und ein fatale „Weiter So“-Mentalität zu zementieren.

Bei der Bürgerversammlung in Hastenbeck stimmten Kritiker und Befürworter der Fahrradstraße übrigens darin überein, dass die beste Lösung ein separater Radweg neben der Straße sein würde.
Ein Durchfahrtsverbot für Pkw auf der Fahrradstraße trauten sich aber noch nicht einmal deren Befürworter zu fordern – obgleich laut StVO der Kfz-Verkehr auf Fahrradstraßen nur „ausnahmsweise, für Anlieger und Berechtigte“, zugelassen werden soll.

Ob stattdessen nach der nun vom OB eingeläuteten „rechtlichen Prüfung“ am Ende die „Fahrradstraßen“-Schilder nicht sogar wieder ganz abgebaut und eingemottet werden, wie in mehreren Straßen in Hannover, Berlin und anderen deutschen Städten, bleibt abzuwarten.

(1) Dewezet, 18.10. 25, Frontseite

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