von Robert Lendeckel
Am 6.5.2025 veranstaltete die Initiative Radverkehrswende Hameln JETZT! – bereits zum vierten Mal – ein Gesprächsformat mit Anwohnerinnen und Anwohnern des Quartiers. Ging es bei den ersten drei Treffen darum, die Probleme zu sammeln und Lösungsansätze aufzuzeigen, so stand nun eine Diskussion jener Lösungsideen mit Vertretern der Stadt an.
Die ca. 30 Anwohnerinnen und Anwohner berichteten dem Oberbürgermeister Griese und seinem Mitarbeiter Sven Szubin (Leiter des Fachbereichs Umwelt und technische Dienste) von ihren Erfahrungen im Quartier.
Drei Problembereiche wurden besonders oft genannt:
- Das beidseitige Parken von PKW´s auf der Straße und Teilen des Bürgersteigs (Gartenstraße und Marienstraße) erschwerten die Bewegungsfreiheit von Fußgängern und Radfahrern massiv. Die Anwohner und Anwohner führten an, dass Menschen, die auf Rollatoren oder Rollstühle angewiesen seien, nicht auf dem Bürgersteig fahren könnten und häufig auf die Straße ausweichen müssten. Gleiches gelte auch für Kinder, die immer wieder Gefahr liefen, an Seitenspiegeln hängen zu bleiben oder durch sich plötzlich öffnende Autotüren überrascht zu werden. Die Radfahrenden, die hier auch entgegen der Einbahnstraße unterwegs sein dürfen, ergänzten, dass der ausreichende Seitenabstand zum ruhenden und fließenden Verkehr nicht eingehalten werden könne.
- Der massive Parksuch- und Abkürzungsverkehr (Verkehrszählungen belegen, dass 2021, dem Coronajahr, in der Gartenstraße bis zu 500 Autos von 6-9 Uhr diese Straße nutzten) eine enorme Lärmbelästigung und Beeinträchtigung der Lebensqualität darstellen. Besonders seitdem der letzte Abschnitt der Gartenstraße die Durchfahrt zur Süntelstraße erlaube, werde diese Problematik von Jahr zu Jahr stärker wahrgenommen.
- Die Geschwindigkeit der PKW´s übertrifft in allen drei Straßen häufig die geforderten 30 km/h. Besonders an den Wochenenden und in den Abendstunden – so zeigen die Daten der Verkehrszählung – sei dies zu beobachten gewesen. Besorgte Elternberichteten davon, dass sie aufgrund der unübersichtlichen Situation und erhöhter Geschwindigkeiten der PKW´s, ihre Kinder nicht mit dem Rad zur Schule oder zu Freunden ließen.
Als Lösungsansätze wurden folgende Aspekte erarbeitet und diskutiert:
- Anwohnerparken soll den Parksuchverkehr aus dem Quartier nehmen.
- Nur eine Reduzierung des ruhenden Verkehrs ermöglicht es, dass Fußgängerinnen und Fußgänger, Radfahrinnen und Radfahrer die Straßen und Gehwege sicher und komfortabel nutzen können.
- Der letzte Abschnitt der Gartenstraße soll (wieder) „umgedreht“ werden, um so die Abkürzung in die Süntelstraße zu unterbinden.
- Gegen Geschwindigkeitsüberschreitungen werden sogenannte „Berliner Kissen“ vorgeschlagen, die Autofahrende zum Abbremsen animieren sollen.
Oberbürgermeister Griese hörte sich die Ausführungen interessiert an und verwies in seinem Statement zunächst darauf, dass die Verwaltung die dargestellten Probleme kenne und er ein generelles Verständnis für Besserungen des unbefriedigenden Zustands der drei Straßen habe. Jedoch erinnerte er, dass ein bindender Ratsbeschluss die „Umkehrung“ der Gartenstraße –motiviert habe. Dieser müsse erst ersetzt werden, um eine Veränderung herbeizuführen. Er warnte auch davor, dass durch die Verdrängung des Verkehrs, andere Straßen nun ähnliche Nachteile bekämen. Dementsprechend appellierte er, dass nur ein Gesamtkonzept für dieses Quartier zu einer Lösung führen könne. Die Planungen für dieses Konzept wolle man extern ausschreiben und bis zum Abschluss erstmal nichts tun.
Es schien so, als könne sich keine Seite durchsetzen! Dann eröffnete sich aber ein Weg für einen Kompromiss: Die Problematik in der Gartenstraße solle beim nächsten Umweltausschuss (am 22.05.2025) vorgetragen werden. Die Ausschussmitglieder sollen dafür überzeugt werden, dass die einstmals getroffene Entscheidung einer Überprüfung bedarf. Ziel sei es, dass in einem Verkehrsversuch zunächst das Thema „Durchgangsverkehr“ angegangen werde. Dazu soll der letzte Abschnitt der Gartenstraße wieder „umgedreht“ werden. Nach einem halben Jahr wolle man sich dann erneut treffen, um über die Ergebnisse der erneuten Verkehrszählung und die subjektiven Erfahrungen der Anwohnerinnen und Anwohner auszutauschen.
Zunächst geht es also am 22.05.2025, 16:30 Uhr, im Energietreff der Stadtwerke weiter. Wir alle hoffen auf zahlreiche Anwohnerinnen und Anwohnern, die die Fragestunde dazu nutzen, um die Ausschussmitglieder für die Problematik zu sensibilisieren.
Die Initiative Radverkehrswende Hameln JETZT! zieht insgesamt ein gemischtes Fazit dieser Veranstaltungsreihe. Einerseits sehen wir uns darin bestätigt, dass das Format des Bürgerdialogs richtig ist, um gemeinsam an Lösungsideen zu arbeiten. Denn nur in der Kommunikation möglichst vieler Akteure, kann die Verkehrswende gelingen. Positiv ist auch, dass der Oberbürgermeister die Probleme erkannt hat und gewillt ist, daran etwas zu ändern.
Auf der anderen Seite vermissen wir aber ein grundlegendes Konzept der Stadt, wie sie die Klimaanpassung und die Verkehrswende in Wohnquartieren gestalten möchte. Nach unserer Auffassung bedeutet das, dass vor allem vor der eigenen Haustür eine bessere Infrastruktur für Radfahrerinnen und Radfahrer, aber auch für Fußgängerinnen und Fußgänger geschaffen werden muss, denn nur wenn die Infrastruktur dort zum Radfahren oder Gehen einlädt, wird ein Umstieg attraktiv.
Dafür müssen nicht nur Parkplätze im öffentlichen Raum weichen, um Platz anderes zu schaffen, sondern auch die Erreichbarkeit der Wohnquartiere für den Motorisierten Individualverkehr eingeschränkt werden. Der kürzeste, schnellste und sicherste Weg zum Bahnhof, Supermarkt und in die Innenstadt muss der mit dem Rad oder den eigenen Füßen sein. Dies erfordert aber einen Paradigmenwechsel der Stadtverwaltung, vom leidlichen Verwalten eines Ist-Zustand, zum aktiven Gestalten einer Stadt, die hoffentlich bald nicht allein für die Rattenfängersage oder die Weserrenaissance bekannt ist, sondern auch für die Umgestaltung von Wohnquartieren in Anlehnung an das Leitbild der „Superblocks“.
Wir bleiben dran!