Projekt „Belebung der Hamelner Innenstadt“ bringt eindeutiges Ergebnis

Wie würde sich eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs in der Innenstadt zugunsten des Rad- und Fußverkehrs und des ÖPNV auf den Umsatz der Gewerbetreibenden auswirken? Dieser Frage ging das studentische Team der Hochschule Hannover im Rahmen eines Projekts nach. Die Antwort ist eindeutig – wenn auch nicht überraschend: Die lokale Wirtschaft würde von einer Neuaufteilung des öffentlichen Raums profitieren. Dieses und weitere Ergebnisse wurden bei der Abschlusspräsentation am 19.12.2024 im Rathaus der Stadt Hameln u.a. Oberbürgermeister Claudio Griese vorgestellt.

Das Projekt trägt den plakativen Titel „Belebung der Hamelner Innenstadt durch die Neuaufteilung des öffentlichen Raums“ (siehe Kasten unten). Dahinter verbirgt sich die Idee, dass eine Steigerung der Aufenthalts- und Lebensqualität in der Innenstadt einhergehen muss mit einer Reduktion des bewegten und ruhenden motorisierten Individualverkehrs (MIV) zugunsten des Rad- und Fußverkehrs und des ÖPNV. Der öffentliche Raum wird dann nicht nur fürs Fahren und Abstellen von Autos genutzt, sondern als Raum für Fußgänger und Radfahrer und als Raum des Aufenthalts, der zum Schlendern und Verweilen einlädt.

Aber welche Konsequenzen hätte eine Reduzierung des MIV für den Einzelhandel und den Dienstleistungssektor? Wäre dann mit Umsatzeinbußen zu rechnen – eine Vermutung, die sich seit vielen Jahren hartnäckig bei den Gewerbetreibenden, Städteplanern und der Politik hält?

Nein, denn das Gegenteil trifft zu …

Die lokale Wirtschaft in Hamelns Innenstadt profitiert von einer Neuaufteilung des öffentlichen Raums und damit der Reduzierung des bewegten und ruhenden Individualverkehrs zugunsten des Rad- und Fußverkehrs und des ÖPNV.

Dieses Ergebnis ist für Experten nicht überraschend, passt es doch zu den Erkenntnissen wissenschaftlicher Studien und verschiedener Praxisbeispiele aus dem In- und Ausland.

Die wichtigsten Ergebnisse

Befragungen der Kundinnen und Kunden in den vier Einkaufsstraßen – Bäckerstraße, Osterstraße, Ritterstraße und Emmernstraße – am 03. und 04. Dezember sowie der Gewerbetreibenden am 07., 08. und 09. Dezember im gesamten Innenstadtbereich lieferten die Basis (siehe Kasten unten).

Briefing des Befragungsteams der Elisabeth-Belling-Schule. Foto: Andreas
Studentisches Befragungsteam der Hochschule Hannover mit ihrem Betreuer Prof. Dr. Andreas Daum. Foto: Andreas

So hat die Befragung ergeben, dass zwar 33% der Kundinnen und Kunden mit dem eigenen Kfz anreisen; sie generieren aber nur 30% der wöchentlichen Gesamtausgaben. Umgekehrt liegt der Anteil wöchentlicher Gesamtausgaben der mit dem Fahrrad, ÖPNV oder zu Fuß anreisenden Kundinnen und Kunden bei 70%. Hier liegt also noch großes Potential, wenn es gelingt, mehr Leute zum Umstieg vom Pkw auf das Fahrrad oder den ÖPNV zu bewegen. Dies trifft auf diejenigen zu, die in einer Entfernung von 2 bis 5 km zur Innenstadt wohnen. In dieser Entfernungsklasse nutzen 38% den eigenen Pkw für den Besuch der Innenstadt. Dabei ist das Rad erwiesenermaßen das Verkehrsmittel der Wahl bei Entfernungen unterhalb von 6 km – eine attraktive und sichere Radverkehrsinfrastruktur vorausgesetzt.

Von denjenigen, die mit dem eigenen Pkw anreisen, wären 83% bereit, einen größeren Fußweg von einem Parkhaus außerhalb der Innenstadt (z.B. Rondell) inkauf zu nehmen, sollten der Parkraum in der Baustraße und im Kopmannshof eingeschränkt werden. Nur die Hälfte derjenigen, die nicht dazu bereit wären (9%), würde Hameln als Einkaufsstadt meiden.

Interessant ist die Einschätzung der Gewerbetreibenden zur Verkehrsmittelwahl. Sie vermuten, dass 73% der Kundinnen und Kunden mit dem Pkw anreisen – tatsächlich sind es aber nur 33%.

After Work: Mit dem Projektteam auf dem Hamelner Weihnachtsmarkt. Foto: Andeas

Dies liegt möglicherweise an einer Projektion des eigenen Verhaltens in Bezug auf die Verkehrsmittelwahl auf das ihrer Kundinnen und Kunden – unter den Gewerbetreibenden wählen 56% den Pkw.

„Was müsste geändert werden, damit Hameln eine attraktivere Einkaufsstadt wird?“ Auch in dieser offenen Frage unterscheiden sich die Antworten der Kundinnen und Kunden von denen der Gewerbetreibenden. Vermissten erstere häufig Grünflächen, mehr Sitzmöglichkeiten und eine größere Vielfalt der Geschäfte – alles Bausteine, um die Aufenthalts- und Lebensqualität zu steigern – nannten die Gewerbetreibenden häufig günstiges Parken, Kurzzeitparkplätze und ein größeres Parkraumangebot.

Abschlusspräsentation und Diskussion

Die Projektergebnisse wurden vom Projektteam bei der Abschlusspräsentation am 19. Dezember im Rathaus der Stadt Hameln vorgestellt (die Päsentationsfolien findet ihr hier: Abschlusspräsentation). Geladen waren der OB, Herr Claudio Griese, Herr Scott Kohlberg / Referat Wirtschaftsförderung und Öffentlichkeitsarbeit und Herr Mathias Vogel / Abteilung Straßenwesen und Verkehrsplanung. Als weitere Akteure kamen hinzu Frau Häfemeier / Industrie- und Handelskammer Hannover, Geschäftsstelle Hameln und Frau Güse-Sulimma / Dehoga Hameln – Pyrmont sowie die Initiative Rad-Verkehrswende Hameln JETZT! als Auftraggeberin.

An die Präsentation schloss sich eine offene und teilweise kontroverse Diskussion an. Keinesfalls dürfe eine Reduzierung des MIV zu einer Verringerung des Umsatzes führen. (Anm. des Verfassers: Eine Verschiebung innerhalb der Verkehrsarten Rad, Fuß und ÖPNV brächte keine Verbesserung,

Abschlusspräsentation im Sitzungssaal. Foto: Rainer

wohl aber eine Reduzierung des Kfz-Anteils zugunsten der Anteile Rad, Fuß und ÖPNV. Die Chancen, dass das gelingt, stehen gut für Kundinnen und Kunden im Umkreis von 2 bis 5 km, denn 38% wählen zurzeit den Pkw als Verkehrsmittel.)

Insgesamt wurde aber die Arbeit der Studierenden gewürdigt. Man wolle, so OB Griese, sie nicht in den „Schubladen verschwinden“ lassen sondern sie vielmehr nutzen, eine Diskussion in der Verwaltung anzustoßen. Schließlich hatte die Verwaltung eine Verlagerung des ruhenden Verkehrs in die Parkhäuser außerhalb der Innenstadt im Rahmen des Parkraumkonzepts vorgeschlagen.

Wie geht es weiter?

Für die Studierenden wird das Projekt mit der Übergabe des Projektberichts abgeschlossen sein. Die Initiative wird aber zu diesem Thema mit der Stadt im Gespräch bleiben. Vereinbart wurde ein weiterer Termin noch im Januar. Am Ende dieses Prozesses müssen Konzepte für eine Neuaufteilung des öffentlichen Raums stehen. Ideen dazu haben wir vorgelegt.

Wichtig ist vor allem die Einbindung der Gewerbetreibenden in den Diskussionsprozess. Der Stadt muss es gelingen, die Bedenken der Wirtschaftsakteure hinsichtlich einer Reduzierung des MIV zu zerstreuen und davon zu überzeugen, dass gerade sie von den Maßnahmen profitieren. Die Basis dafür wurde durch das Studierendenprojekt gelegt.

Projekt „Belegung der Hamelner Innenstadt durch die Neuaufteilung des öffentlichen Raums“

Profitiert die lokale Wirtschaft in Hamelns Innenstadt von einer Neuaufteilung des öffentlichen Raums und damit Reduktion des bewegten und ruhenden Individualverkehrs zugunsten des Rad- und Fußverkehrs und des ÖPNV?

Dieser Fragestellung sollte im Rahmen des Projekts mit Studierenden der Hochschule Hannover, Abteilung Betriebswirtschaftslehre, mit dem Betreuer Prof. Dr. Andreas Daum, vorrangig nachgegangen werden. Zwar zeigen wissenschaftliche Studien und Praxisbeispiele aus dem In- und Ausland, dass die lokale Wirtschaft von einer Reduzierung des MIV zugunsten des Rad- und Fußverkehrs und des ÖPNV profitiert; allerdings lassen sich die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf Hameln übertragen.

Vor dem Projektstart muss die Aufgabe klar umrissen werden. So soll die Fragestellung unter Anwendung wissenschaftlicher Methodiken neutral und ergebnisoffen und nachvollziehbar untersucht werden.

Natürlich muss auch zuvor festgelegt werden, was unter der „Neuaufteilung des öffentlichen Raums“ zu verstehen ist (Modaler Filter auf der Höhe der Pfortmühle; Rückbau von Parkplätzen in der Baustraße; Einfahrt in den Kopmannshof nur für Anwohner und Lieferverkehr; Parkhaus Kopmannshof nur für Anwohner, teilweiser Ausbau als Fahrradparkhaus).

Für das Projekt konnte die Stadt Hameln als Kooperationspartner gewonnen werden. Unmittelbar eingebunden waren das Stadtoberhaupt OB Claudio Griese, das Referat Wirtschaftsförderung und Öffentlichkeitsarbeit und die Abteilung Straßenwesen und Verkehrsplanung. Als weitere Akteure kamen hinzu die Industrie- und Handelskammer Hannover, Geschäftsstelle Hameln und die Dehoga Hameln – Pymont – und die Initiative Rad-Verkehrswende Hameln JETZT! Als Auftraggeberin.

Methodik

Am 03. und 04. Dezember im Zeitraum von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr wurden durch das Projektteam Befragungen in den vier Einkaufsstraßen – Bäckerstraße, Osterstraße, Ritterstraße und Emmernstraße – durchgeführt. Das Team wurde durch Schülerinnen und Schüler der Elisabeth-Belling-Schule und durch Mitglieder der Initiative verstärkt. Die Befragten wurden nach dem Zufallsprinzip angesprochen. Insgesamt wurden im Zeitraum ca. 700 Besucherinnen und Besucher befragt. Für eine repräsentative Stichprobe wären ca. 350 Fragebögen ausreichend gewesen. Zur Bestimmung der „Grundgesamtheit“ wurden dem Team von der HMT die Daten der Laserzähler der o.g. Straßen zur Verfügung gestellt. Bei der Auswertung wurden diejenigen Besucherinnen und Besucher, die ausschließlich wegen des Weihnachtsmarktes angereist sind, herausgefiltert.

Eine zweite Befragung richtete sich an die Gewerbetreibenden in der Innenstadt. Hier kam neben einer persönlichen Befragung durch das Projektteam auch ein Online-Fragebogen zum Einsatz. Mit Unterstützung der HMT wurden ca. 200 Gewerbetreibende per Mail angeschrieben. Auch hier war es wichtig, eine hinreichend große Stichprobe zu erhalten. Dieses Ziel wurde mit 120 Rückläufern (online und persönliche Befragung) erreicht.

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner